Bis vor einem Jahr wusste Thomas Leuschel aus Haibach in der Nähe von Aschaffenburg noch nicht einmal, dass es Parastanding-Tennis gibt. Bis der 54-Jährige über den DTB-Referenten für Inklusion und Parasport Niklas Höfken auf die spezielle Disziplin aufmerksam wurde und es im Februar 2024 ein erstes Treffen von deutschen Spielern gab. In anderen Ländern ist Parastanding-Tennis schon wesentlich weiterverbreitet als in Deutschland: USA, England, und vor allem Schweden sind sehr engagiert.
Die Parastanding-Tennis-Weltmeisterschaften 2024 in Turin (Italien) wurden in diesem Jahr im Juni erstmals offiziell von der International Tennis Federation (ITF) unterstützt. Bis vor kurzem war Ivan Corretja, erster Weltmeister der Klasse PST2 und Bruder des ehemaligen Tennis-Profis Alex Corretja, Präsident der internationalen Dachorganisation Para-Standing Tennis, bis er vom Briten Nicki Maxwell abgelöst wurde. In Turin waren von den weltweit rund 500 registrierten Para-Standing-Tennisspielern knapp 100 Spieler am Start. Die deutschen Farben vertraten Thomas Leuschel und die gebürtige Aschaffenburgerin Jennifer Gotta aus dem hessischen Eppertshausen an der Landesgrenze zu Bayern.
WM-Vorbereitung bei den European Open in Barcelona
Medizinisch ausgedrückt leidet Thomas Leuschel unter "infantiler hemiplegischer Zerebralparese", was bedeutet, dass seine linke Körperhälfte ohne Feinmotorik so gut wie gelähmt ist. Mit dieser Diagnose wurde er bei der Untersuchung vor dem WM-Turnier in die Klasse PST 2 eingestuft. Insgesamt gibt es beim Para-Standing-Tennis vier Spielklassen: In den Kategorien PST 1 und PST2 darf der Ball einmal, in den Kategorien PST3 und PST4 zweimal aufspringen (siehe parastandingtennis.com). Gespielt wurde im Einzel mit zwei Gewinnsätzen bis 6 mit Match-Tiebreak und NO AD-Regel, im Doppel bis 4 und ebenfalls mit NO-AD-Regel.
Zur Vorbereitung auf die WM hatten Leuschel und Gotta eine Woche zuvor die European Open in Barcelona (Spanien) gespielt. Das Turnier fand auf der Tennis-Anlage der Olympischen Sommerspiele von 1992 statt. Nach einem Sieg gegen den Präsidenten von Parastanding-Tennis Nicki Maxwell unterlag Leuschel in der zweiten Runde im Einzel gegen den Österreicher Matthias Höll im Match-Tiebreak. Anschließend ging es zu den Weltmeisterschaften nach Turin, wo es die Revanche geben sollte.
Nach Siegen gegen den unterschenkelamputierten Franzosen Thierry Perchet (6:1, 6:2) und den Argentinier Gabriel Gustavo Garcia (6:1, 4:6,12:10) mit ähnlicher Behinderung am Bein wie Leuschel ging es in Runde drei erneut gegen Matthias Höll aus Österreich. „Da habe ich mich dann zum Glück im Laufe des Matches wesentlich gesteigert und konnte das Spiel von einem 0:6, 0:2-Rückstand noch drehen und mit 0:6, 7:5, 10:7 im Match-Tiebreak gewinnen“, erzählte Leuschel.
"WM eine Riesen-Erfahrung"
Im Halbfinale musste sich der Deutsche dann dem starken Briten Matthew Grover klar in zwei Sätzen (0:6, 1:6) geschlagen geben. „Ungünstig war für mich, dass mein Gegner wahrscheinlich 25 Jahre jünger war und das Match wegen Regen-Verzögerung bereits 1,5 Stunden nach dem anstrengenden Drittrunden-Spiel angesetzt werden musste.“ Das Spiel um Platz drei gegen den Schweden Harald von Koch konnte nicht stattfinden, so gab es zwei dritte Plätze und Leuschel durfte sich über WM-Bronze im Einzel freuen.
Auch im Doppel trat Leuschel, der beim TC Haibach als Tennistrainer aktiv und Mannschaftsführer der Herren 50 ist, an. Zusammen mit Kemit Amos Lewis, einem ehemaligen Davis-Cup-Spieler der US Virgin Islands, der durch eine Sepsis Teile seiner Gliedmaßen verloren hatte, erreichte der Nordbayer die zweite Runde. Dort musste sich das Duo den späteren Weltmeistern Ross Cudmore/Matthew Grover geschlagen geben.
„Insgesamt war die WM eine Riesen-Erfahrung. Es war beeindruckend zu sehen, wie Spieler mit teilweise richtig heftigen Einschränkungen, es hinbekommen, richtig gut Tennis zu spielen“, berichtet Thomas Leuschel, der sein ganzes Leben im „normalen Tennis“ (O-Ton Leuschel) verbracht hat und jetzt mit 54 Jahren diesen Erfolg bei der Parastanding-Tennis-WM feiern darf. „Das ist natürlich klasse und ich habe das Ziel, nächstes Jahr noch mal richtig Gas zu geben bei der WM.“
Mehr Informationen zu Parastanding-Tennis finden Sie hier auf parstandingtennis.com und unter Para-Tennis auf der BTV-Seite.
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Leiterin Vereinsberatung und Sportentwicklung
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